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Geboren 1952 in Luzern begann meine
musikalische Laufbahn 1964. Die Beatles eroberten die Welt, Fr. 3.75 kostete
die jeweils neuste Single. Ich wurde Rhythmusgitarrist von Sha-Hi-Yena. Heute
würde man das eine Kultband nennen. Es gab vielleicht 5 Gruppen in Luzern
und die waren alle ziemlich wichtig. Die Orpheos mit Urs Leimgruber am Saxophon,
die Mads mit Christy Doran und Bobby Burri an Bass und Gitarre, das Peter Thali
Quintett mit Peter Sigrist und Kea,cilokurz (oder so ähnlich) mit Fredy
Studer am Schlagzeug.
Die Hippybewegung war in voller Blüte, an einen bürgerlichen Beruf
hätte ich nicht im Traum gedacht. Ich wollte Maler (Kunst) werden. In Graz
befand sich damals die erste Jazzschule Europas und ein Freund von mir meinte
ich müsse da unbedingt vorbeischauen, da ginge gerade die Post ab. Also
fuhr ich hin. Den Sommer über hatte ich mich auf die Aufnahmeprüfung
vorbereitet, was mir ziemlich schwer viel, da ich kaum Noten lesen konnte. Saxophonlehrer
gab es damals in Luzern keine. Das hatten auch die Prüfungsexperten bemerkt.
Ich durfte jedoch als Gasthörer bleiben. Jazz hatte mich bis zu diesem
Zeitpunkt überhaupt nicht interessiert. Mein Hero war Frank Zappa, aber
dafür gab’s keine Schule.
Zwei Jahre später wollte ich dann meine Kunstausbildung fortsetzen und
fuhr nach Zürich. Farbe & Form hiess die Schule. Die Zeit der grossen
Krawalle war eben vorbei, wir hatten der Welt gezeigt, wo`s langgeht - ein wunderbarer
Moment im Leben eines jungen Menschen. Mir fiel dann aber bald auf, dass es
für die Farbe & Form keine Stipendien gab, wohl aber für die neu
gegründete Jazzschule in Bern. Also fuhr ich nach Bern. Es wurden schöne
vier Jahre. Niemand wusste so recht wie Lehrer sein geht oder was Schüler
sein bedeutet aber wir waren gut drauf. Ein bisschen Marihuana aber sonst ziemlich
drogenfrei.
Danach die grosse Freiheit. Ein Jahr hab ich dann in einer welschen Tanzband
gespielt. Jeden Abend in irgendwelchen Clubs oder Hotels, von Zermatt bis zum
Ruhrpott. Ich litt sehr darunter, „Ballade pour Adline“ oder „La
Paloma Blanca“ spielen zu müssen und konnte mich gar nicht so richtig
freuen über die guten Nummern von Stevie Wonder, Wilson Pickett und Konsorten,
die wir auch spielten. Nach einem Jahr Tanzmusik war dann genug, ich hatte eine
erste Anstellung an der Musikschule Sarnen, wir wurden schwanger. Sie heisst
Sonja hat Jahrgang 79 und bekam in der Folge noch 2 Schwestern, Lea und Nora.
Dem Ernst des Lebens wollte ich nun begegnen, ein rechter Vater sein und so.
Also begann ich in Bern im Blasinstrumenten-Atelier von Karl Burri zu arbeiten.
Als Verkäufer und selbsternannter Blasinstrumenten-Reparateur. Später
habe ich dann in der Firma von Jürg Lohri in diesem Beruf eine Lehrabschlussprüfung
gemacht. Danach zusammen mit Martin Suter das Blashaus gegründet. Dazwischen
Familie und alle möglichen Gigs mit allen möglichen Bands. Eine turbulente
Zeit. Dieser Turbulenz gepaart mit Naivität fiel dann auch die junge Familie
zum Opfer. Die Interkantonale Blasabfuhr wurde gegründet. Ursprünglich
als Strassenkapelle geplant, wurden wir sehr schnell erfolgreich. Wir hatten
unser Repertoire ausschliesslich selber geschrieben, Albin Brun war für
die quirligen, virtuosen Stücke zuständig, ich hab die Jazzigen Balladen,
den Blues und die Lieder beigesteuert. Das war 1987. 20 Jahre später ist
es nun etwas ruhiger geworden um diese „wilde Band“. Dazwischen
eine Begegnung mit dem freien Theater. Ich habe drei Produktionen mit Theater
M.A.R.I.A. gemacht, eine inspirierende Zeit. Eine Folge davon sind meine musikalischen
Bearbeitungen der Gedichte von H.C.Artmann. Ein literarisches Meisterwerk, welches
mich nach wie vor fasziniert und immer wieder auf’s Neue beschäftigt.
Danach erste Begegnungen mit Zen (Buddhismus japanisch-chinesischer Prägung).
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen Musiker schien mir eine
heitere, wache Gelassenheit. Wie aber erreicht man „heiteres Gelassensein“?
Seit 8 Jahren bin ich Schüler von Zentatsu Baker roshi, einem Zen Lehrer
der Soto Zen Tradition. Die Praxis der Meditation hat mich seither stark beeinflusst
und hat wohl mit dazu geführt, dass ich mich auch musikalisch vermehrt
mit Traditionen auseinandersetze. Auf der einen Seite die Ursprünge des
Jazz, auf der anderen Innerschwyzer Volksmusik. Auf der Suche nach der heiteren
Gelassenheit bin ich immer „tiefer gerutscht“ und spiele seit vierJahren
fast ausschliesslich in der Bass-Funktion. Sei es mit dem Bass-Saxophon oder
auf dem Kontrabass. So nebenher habe ich die Harmonielehre „neu erfunden“.
Das heisst, ich habe angefangen harmonische Strukturen graphisch darzustellen.
Ich glaube damit eine wichtige Entdeckung gemacht zu haben auf dem Weg, harmonische
Prozesse zu veranschaulichen.
Wenn ich nicht, wie gerade heute, eine kleine Schneeschuhwanderung auf’s
Rägeflüehli unternehme, bin ich unentwegt mit meinen Schülern
und Duo Partnern damit beschäftigt mein musikalisches Hören, Fühlen
und Wissen zu vertiefen.
Seit 4 Jahren bin ich wieder verheiratet. Ich möchte meiner Frau Gunda
herzlich dafür danken, dass sie meinen Weg so bedingungslos unterstützt.
Rene Widmer, Luzern 23. Februar 2005